Zum Ausklang der "Saure-Gurken-Zeit" präsentiere ich eine meiner Winter-Trouvaillen, die auch im Frühling wunderbar schmeckt. Ausserdem erzähle ich, weshalb ich dankbar für die Erfahrungen bin, die ich während der kargeren Monate bei meh als gmües machen durfte und wie ich der Zero-Waste-Küche verfallen bin. Als kleines Extra präsentiere ich dir fünf Bücher zum Thema.
Springe zu RezeptZugegeben, ich freue mich riesig auf die bevorstehenden Sommermonate und ganz besonders auf die ersten reifen Tomaten und knackigen Gurken. Endlich neigt sich die „Saure-Gurken-Zeit“ dem Ende zu. Nach und nach steht uns immer mehr frisches Gemüse zur Verfügung. Wir sind weniger auf Lagergemüse und Eingemachtes angewiesen.
Was mich die kargen Monate lehren und wie ich Zero Waste und Leaf to Root© verfallen bin
Trotz der Vorfreude schaue ich dankbar auf die vergangenen Monate zurück. Denn sie haben mich (wie schon die letzten zwei Jahre im mag-Winter) viel gelehrt und einmal mehr meine Wertschätzung für Lebensmittel gesteigert.
Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so werde ich jedes Jahr durch die „Saure-Gurken-Zeit“ in meiner Kochpraxis findiger, mutiger, experimentierfreudiger und kreativer. Dadurch, dass im Winter eher wenig Gemüse zur Verfügung steht, habe ich bereits während meiner ersten mag-Saison begonnen, haushälterischer mit diesem raren Gut umzugehen und möglichst wenige Rüstabfälle zu produzieren.
Begonnen habe ich mit kleineren Experimenten. Z. B. habe ich aus Rezeptbüchern für Suppen gelernt Gemüseschalen einzufrieren und zu leckeren Bouillons und Fonds auszukochen – für gelernte Köche und ältere Semester wahrscheinlich eine gängige Praxis und nichts Revolutionäres.
Diese Praxis hat mich dazu gebracht, mich auch unterjährig immer mehr mit der Zero-Waste-Küche auseinanderzusetzen und vermehrt auch Pflanzenteile zu verarbeiten, die landläufig als wenig essbar bekannt sind (einige davon habe ich in vergangenen Beiträgen unter dem Tag Leaf to Root© bereits mit dir geteilt). So habe ich nach und nach zahlreiche tolle Bücher und Rezepte entdeckt und ausprobiert, mit denen ich Food Waste entgegenwirken kann (vgl. Buchtipps) – böse Zungen behaupten sogar, ich würde mir regelrecht einen Sport daraus machen, alles zu verarbeiten.
Und ich gebe zu, das kreative Verarbeiten von Pflanzenteilen kann ein wenig zur Sucht werden. Vielleicht lässt auch du dich davon anstecken? So viel kann ich versprechen: Das heutige Rezept wird nicht das letzte Zero-Waste-Gericht auf diesem Blog bleiben.
Dankbarkeits-Gyoza
In Anlehnung an die oben beschriebenen Erfahrungen taufe ich das heutige Rezept Dankbarkeits-Gyoza. Und während ich diese Zeilen verfasse, überlege ich mir, es zur Tradition zu machen, diese Teigtaschen alljährlich zum Ausklang der kargen Erntemonate in einem kontemplativen Akt der Dankbarkeit zusammen mit meiner Familie und meinen Freunden zuzubereiten und zu geniessen.
Die Idee aus Gemüseabschnitten asiatische Teigtaschen zu machen, stammt übrigens aus diesem Buch. Ich habe das Rezept aber nach eigenem Gusto und gemäss den in meinem Kühlschrank vorhandenen Zutaten abgeändert.
Das erste Mal, als ich dieses Rezept ausprobierte, hatte ich nur Pastateig zur Hand. Zur Not funktioniert das. Ich empfehle aber, wenn immer möglich, speziellen, tiefgefrorenen Gyozateig zu verarbeiten, der im Japanladen erhältlich ist. Diesen kannst du bequem die Nacht über im Kühlschrank auftauen und am Folgetag befüllen. Wenn du viel Zeit und Musse hast, kannst du den Teig auch selbst (oder zusammen mit deinen Gästen) machen – eine meditative Erfahrung, die ich dir nicht vorenthalten will.
Wie du Gyoza formen kannst, zeigt dir dieses kurze Fooby-Video. Falls du deine Gyoza etwas authentischer zubereiten möchtest, empfehle ich dir zur Inspiration dieses Video, in dem eine charmante Japanerin zeigt, wie man traditionellerweise Gyoza zubereitet.
Buch-
tipps
Fünf empfehlenswerte Bücher rund um Zero-Waste-Küche und Leaf to Root©
Möchtest du dich vertiefter mit den Themen Zero-Waste-Küche und Leaf to Root© auseinandersetzen und selbst anfangen ungewöhnliche Pflanzenteile zuzubereiten? Dann rate ich dir, dich zuvor entsprechend zu informieren. Denn bestimmte Pflanzenteile eignen sich nicht oder nur unter richtiger Verarbeitung zum Verzehr. Solltest du deinen Ernteanteil mit anderem Gemüse ergänzen, ist es ratsam, beim produzierenden Betrieb nachzufragen, ob die entsprechenden Pflanzenteile bedenkenlos gegessen werden dürfen. Denn oft werden Grenzwerte für Spritzmittel nur für die so genannten "first cuts" überprüft, die landläufig verwertet werden. Wie bei allem Gemüse gilt es auch für die "second cuts", sie sehr gut zu waschen. V.a. biologisch produziertes Gemüse kann mit Pferde- und Kuhmist gedüngt werden und Kolibakterien enthalten.
Folgende Bücher kann ich dir empfehlen:
1) Leaf to Root
Die Schweizer Food-Journalistin Esther Kern beschäftigt sich bereits seit Jahren mit weniger bekannten, essbaren Pflanzenteilen. 2014 hat sie das Projekt Leaf to Root© ins Leben gerufen, Rezepte und Zubereitungen für ungewöhnliche Gemüseteile gesammelt und so quasi das vegetarische Pendant zu Fergus Hendersons Nose to Tail Eating geschaffen.
2016 hat sie zusammen mit dem Fotografen, Sylvan Müller, und dem Koch und ehemaligen Hiltl-Rezeptentwickler Pascal Haag das gleichnamige Buch zum Projekt veröffentlicht, das zahlreiche internationale Preise gewonnen hat (u. a. die Goldmedaille der GAD an der Frankfurter Buchmesse 2017).
Das ansprechend illustrierte Werk umfasst nicht nur zahlreiche Rezepte, sondern liefert auch viele fundierte Informationen zum Thema. Für das Kapitel Roundtable hat sie z. B. eine interdisziplinäre Expertenrunde zu Ernährungstabus, geschichtliche Hintergründe und giftige Pflanzenteile diskutieren lassen. Im über 70-seitigen Kompendium findest du verschiedene historische Rezepte, Anekdoten sowie Wissenswertes über die Küchentraditionen anderer Länder und du erfährst, welche Pfalnzenteile essbar sind und wie Spitzenköche die „second cuts“ zubereiten.
Die Rezepte für das Radieschenblatt-Ziegenkäse-Pesto und die Brötchen mit Kohlrabiblättern und getrockneten Tomaten stammen beide aus diesem Buch.
Sobra Mesa bietet immer wieder Kurse mit Esther Kern an, in denen du dich mit dem Thema vertraut machen kannst. Der nächste findet am 2. Oktober 2021 statt.
2) Restlos Glücklich: klimafreundlich, nachhaltig, vegetarisch und vegan
Paul Ivić ist Chefkoch des vegetarischen Restaurants TIAN in Wien, das mit einem Michelin-Stern und vier Gault-Millau-Hauben ausgezeichnet wurde. Ihm liegt die „Wertschätzung gegenüber Natur, Menschen, Tieren und Lebensmitteln“ am Herzen. Er möchte dafür sensibilisieren, „den Wert der Lebensmittel zu erkennen“. Sein dieses Jahr erschienenes Buch Restlos Glücklich: klimafreundlich, nachhaltig, vegetarisch und vegan verspricht, „die Welt auf kulinarischem Weg zu verbessern“.
In seinem Buch finden sich zahlreiche Rezepte dazu, wie du „Bodenschätze restlos geniessen“ kannst. Ivić pickelt z. B. die Wurzeln von Lauch oder macht aus Kohlrabiblättern Spinat. In seinem Buch finden sich auch vegane Rezepte, „frische Ideen aus altem Brot“, Anleitungen zur Haltbarmachung von Lebensmitteln und (damit du deinen Verpackungsabfall reduzieren kannst) Rezepte zur Herstellung von Grundnahrungsmitteln.
3) Clever kochen – null Abfall: 100 Rezepte für eine Küche ohne Verschwendung
Seit vorletztem Jahr ist das 2018 unter dem Titel Cuisiner Zéro Déchet erschienene Buch auch in deutscher Sprache erhältlich. Obwohl ich schon einige Bücher mit Ideen zur Verwertung von Speiseresten gesehen hatte, vermochte mich dieses Buch zu überraschen. Es wartete mit Ideen auf, die mir vorher noch nicht begegnet waren.
Es zeigt z. B. wie man aus Tomatenhaut Pulver herstellen kann, dass sich für unzählige Gerichte wie Kräutersalz, Kartoffelchips, Marinade oder Joghurtsauce nutzen lässt und verrät, was du mit den Maisblättern und -kolben der letzten Grillparty noch Leckeres zubereiten kannst.
Im Gegensatz zu den oben vorgestellten Büchern, bietet dieses Werk ausserdem Anregungen über die Gemüse und Früchteabteilung hinaus. So erhalten Karnivoren Anregungen zur Verwertung von zu Fleischteilen und Resten von Meeresfrüchten, die normalerweise weggeworfen werden.
Im Einleitungsteil erläutern die Autorinnen Wege, wie man den Berg an Food Waste (35-50% der weltweit hergestellten Nahrungsmittel) durch einfache Verhaltensänderungen reduzieren kann – angefangen beim Einkauf von Lebensmitteln, über die Planung von Mahlzeiten, das richtige Lagern und Konservieren von Lebensmitteln bis hin zum Aufbewahren und Weiterverwenden von Resten. Der Rezeptteil regt mit vielen bunten Fotografien und einfachen Rezepten, die wenig Zutaten benötigen, zum konkreten Handeln an. Durch die Gliederung in Lebensmittelkategorien finde ich mich in diesem Buch schnell zurecht.
4) Zero Waste Küche
Möchtest du den Zero-Waste-Gedanken in der Küche noch konsequenter verfolgen, gibt dir das preisgekrönte Buch von Sophia Hoffmann hilfreiche Anregungen. Neben dem achtsamen Umgang mit Lebensmitteln, thematisiert dieses Buch auch eine Kücheneinrichtung und Einkaufspraxis, die hilft Abfall zu reduzieren. Alle hier enthaltenen Rezepte sind vegan.
5) Die ganze Pflanze
Dieses Buch hat Susann Kreihe verfasst, die gemäss eigenen Angaben auch schon auch als Ghostwriterin für die beiden TV-Köche Johann Lafer und Frank Rosin tätig war. Das Buch regt mit appetitanregenden Bildern und originellen Rezepten an, mit Pflanzenteilen zu experimentieren, die üblicherweise weggeworfen werden. Die Idee für meine Dankbarkeits-Gyoza stammt aus diesem Buch. Ich habe bereits einige Rezepte aus diesem Buch ausprobiert. Die Kohlrabiblatt-Rouladen und das Chutney aus Federkohlrippen und Birnen sind meine Favoriten. Dank diesem Buch verspüre ich bereits jetzt Vorfreude auf die Kürbisschalen-Saison – Betonung auf Schalen 😉
Gyoza aus Gemüse- und Pilzabschnitten
Zutaten
- 1 Zwiebel (oder etwas Ähnliches z. B. Ishikura, Frühlingszwiebeln oder Schnittlauch)
- 1 Knoblauchzehe
- Ingwer
- 250 g Gemüse- und Pilzabschnitte , gesäubert und verlesen und klein gehackt (z. B. von Kartotten, Pastinaken, Knollensellerie, PakChoi)
- Gewürzsalz (oder Bouillonpulver)
- Chiliflocken
- Sojasauce
- Sesamöl
- 150-200 g Tofu, in Würfelchen geschnitten
- Gyoza-Teig aus dem Asia-Laden, tiefgefroren und über Nacht aufgetaut (alternativ: 250 g Weizenmehl, 140 ml warmes Wasser und ½ TL Salz)
- 1 dl Wasser
- Frischen Koriander, gehackt
- Apfelessig
- ggf. Chilipaste
Anleitungen
Füllung
- Für die Füllung die Zwiebeln und den Knoblauch abziehen und zusammen mit dem Ingwer fein würfeln
- In einer Pfanne etwas Sesamöl erhitzen
- Die Zwiebeln, den Knoblauch und den Ingwer zusammen mit den gehackten Gemüse- und Pilzabschnitten und den Tofuwürfelchen in der Pfanne anbraten
- Die Mischung mit Gemüsesalz, Chiliflocken und Sojasauce würzen
- Wenn die Flüssigkeit eingekocht ist, die Pfanne vom Herd nehmenIn einer Schüssel alles nochmals vermengen, allfällige, grössere Stücke mit der Gabel zerdrücken und bei Bedarf nachwürzen
Taschen füllen und formen
- Auf jeden Teigkreis ca. einen TL der Füllung geben, mit Wasser die Ränder anfeuchten und die Taschen zu Halbmonden zusammenklappenDie Ränder andrücken und im Abstand von ca. 1 cm in Falten legenDie fertig geformten Taschen auf Backpapier oder bemehlte Unterlage legen
Taschen braten und dämpfen
- In einer beschichteten Bratpfanne wenig Öl erhitzen und darin die Teigtaschen portionenweise für ca. 3 Min. anbratenAnschliessend ca. 1 dl Wasser dazu giessen und die Taschen zugedeckt während ca. 6 Min. dämpfen (den Deckel währenddessen auf der Pfanne lassen)
Anrichten
- Zum Schluss die Teigtaschen mit dem gehackten Koriander bestreuen, Sojasauce und Apfelessig zu einem Dip mischen (ggf. etwas Chilipaste hinzugeben) und dazu reichen
Notizen
- ½ TL Salz zu 140 ml heissem Wasser geben und dieses nach und nach zu 250 g Weizenmehl giessen
- Masse ständig mit Kelle verrühren und anschliessend zu einem geschmeidigen Teig kneten (ggf. mit Handrührgerät)
- Den Teig abdecken und für eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen
- Den Teig auf einer leicht bemehlten Arbeitsfläche zu einer Rolle formen
- Die Rolle in 40 gleich grosse Stücke schneiden und jedes Stück zu einem Kreis mit ca. 10 cm Durchmesser ausrollen